Geschichte des Theaters

Von der »feinen Wirtschaft« zum »charmanten Unterhaltungstheater«

Die Komödie Winterhuder Fährhaus hat eine faszinierende Geschichte, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Zunächst die Antwort auf die wohl wichtigste Frage: Nein, eine Fähre hat das Winterhuder Fährhaus, an der Grenze zwischen den Hamburger Stadtteilen Eppendorf und Winterhude gelegen, nie gesehen.

Die Geschichte des Winterhuder Fährhauses geht zurück auf das Jahr 1854, damals eröffnete direkt am Alsterlauf eine kleine Schänke, der wenig später die Erlaubnis für den Betrieb einer „feinen Wirtschaft“ erteilt wurde. Zur selben Zeit lief der erste Hamburger Alsterdampfer vom Stapel, und deren Passagiere und Passagierinnen wurden regelmäßige Gäste. 1894 wird dann neu gebaut, es entsteht das „zweite“ Winterhuder Fährhaus: ein Eckbau mit dem Türmchen, der zu einem Wahrzeichen Winterhudes wird. Bis 1946 leiten verschiedene Gastronomen das Haus und machen es zu einem Ausflugs-, Club- und Tanzlokal. Die Spannweite der gesellschaftlichen Veranstaltungen, insbesondere der Bälle und Tanzveranstaltungen, ist beachtlich: Hier feiert das solide Bürgertum, viele Ehen werden gestiftet. Während des zweiten Weltkrieges wird das Haus zweckentfremdet, doch schon 1946 geht es hier weiter. Das Winterhuder Fährhaus ist zu dieser Zeit das einzige Haus mit Veranstaltungssälen, denn viele andere Veranstaltungslokale, wie das einstige „Vorbild“ Uhlenhorster Fährhaus, sind den Bomben zum Opfer gefallen. Bis weit in die Sechzigerjahre locken die großen Gasträume Menschen von weit her zu kulturellen und gesellschaftlichen Veranstaltungen. Die junge Muse kann sich hier auf Festen, Maskeraden und Bällen austoben. Es gibt kaum einen Hamburger oder eine Hamburgerin, der oder die nicht persönliche Erinnerungen an Festlichkeiten im Winterhuder Fährhaus hat. 1976 lässt Betreiber Uwe Behnke den Pachtvertrag auslaufen. Die Pfähle, auf denen das Winterhuder Fährhaus in der Alsterniederung gegründet ist, sind morsch, der Bau marode. Letztlich findet sich niemand, der bereit ist, dem dringend sanierungsbedürftigen Bau wieder auf die Beine zu helfen, 1979 wird das Haus abgerissen.

Das Winterhuder Fährhaus wird zur Komödie Winterhuder Fährhaus

Sechs Jahre später wird an selbiger Stelle der Grundstein gelegt für eine multifunktionale Freizeit-, Veranstaltungs- bzw. Tagungsstätte; ein Veranstaltungszentrum für Stadtteilkultur und Kommunikation, das mit Kaffeegarten an der Alster, Kegelbahn, Kino, Gastronomie und Schwimmbad an die soziale Bedeutung des früheren Winterhuder Fährhauses anknüpften sollte. Doch es findet sich zunächst kein Betreiber, bis 1987 der Berliner Theaterdirektor Jürgen Wölffer mit dem Bauherrn Uwe Spranger zusammentrifft. Zusammen basteln sie an der Idee, das Winterhuder Fährhaus künftig als Theater zu nutzen, und zwar in enger Kooperation mit der Berliner Boulevardbühne „Theater und Komödie am Kurfürstendamm“. Zunächst herrscht Skepsis, ob ein Umbau zu einem Theater zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch möglich ist, denn der Rohbau ist bereits fast fertig gestellt. „Herr Wölffer hat recht, es geht.“ Dieser Satz des Architekten Professor Schweger bedeutet den Durchbruch. Die Baupläne werden modifiziert, die politischen Klippen genommen, und bereits am 2. September 1988 feiert die Komödie Winterhuder Fährhaus mit der Aufführung „Stürmische Überfahrt“ von Tom Stoppard ihre erste Premiere

Mit dem langjährigen Staatsoperndirektor Rolf Mares holt sich Jürgen Wölffer einen anerkannten Fachmann als Theaterleiter ins Boot. Während die „Stürmische Überfahrt“ beim Publikum auf wenig Gegenliebe stößt, gelingt gleich mit der zweiten Aufführung „Das Haus in Montevideo“ von Curt Götz der erste große Erfolg. In den folgenden Jahren entwickelt sich das Theater unter Mares’ Leitung zu einer ersten Adresse für gehobenes Unterhaltungstheater und zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Hamburger Kulturlandschaft.

Bekannte und beliebte Schauspieler, wie z.B. Wolfgang Spier, Herbert Herrmann, Edith Hancke, Walter Plathe, Anita Kupsch, Chariklia Baxevanos, Evelyn Hamann u.v.a., prägen das künstlerische Pottporrie. Pro Jahr werden in dem 586 Plätze fassenden Theater sechs Produktionen mit jeweils rund acht Wochen Laufzeit auf die Bühne gebracht, seit 1991 spielt die Komödie auch regelmäßig im Sommer. Schon wenige Monate nach Eröffnung entsteht auch die Reihe „Komödie extra“ mit literarischen und musikalischen Sonderveranstaltungen.

Jubiläum, der Beginn der Weihnachtsmärchen und eine Frau an der Theater-Spitze

Zum zehnjährigen Jubiläum 1998 steht das Stück „Veronika, der Lenz ist da – Die Comedian Harmonists“ von Gottfried Greiffenhagen auf dem Spielplan, die Produktion wird bundesweit ein großer Erfolg. Ein Jahr später übergibt Rolf Mares das Ruder an den Musiker und Kulturmanager Michael Lang, den er selbst als Nachfolger ausgesucht und eingearbeitet hat. Mit damals rund 200.000 Besuchern und Besucherinnen und 12.000 Abonnenten und Abonnentinnen zählt die Komödie Winterhuder Fährhaus zu den erfolgreichsten Sprechbühnen Deutschlands. Zum bewährten und beliebten Boulevard gesellt sich nun ein Weihnachtsmärchen, das bis heute in jeder Vorweihnachtszeit traditionell vor allem viele kleine Besucher und Besucherinnen begeistert.

2007 stehen umfangreiche Modernisierungen an, das großzügige Foyer erhält neue Tische, Stühle, Bänke sowie ein neues Pausencafe. Außerdem unterstützt das Stifterehepaar Prof. Dr. Hermann Schnabel und Else Schnabel die Komödie mit einer großzügigen Spende.

2017 wird Britta Duah neue Leiterin der Winterhuder Bühne. Nach Rolf Mares (1988 bis 1999) und Michael Lang (1999 bis 2017) übernimmt damit zum ersten Mal eine Frau die Leitung dieses nicht subventionierten Theaters – und führt die Geschicke des Traditionshauses bis heute.

Komödie etabliert sich als fester Teil der Hamburger Kulturszene

Die Komödie Winterhuder Fährhaus hat sich nach fast vier Jahrzehnten als fester Bestandteil der Hamburger Kulturszene etabliert, an dem sowohl klassische als auch zeitgenössische Stücke aufgeführt werden und das Publikum nach wie vor Film – und TV-Stars live und hautnah auf der Bühne erleben kann. Namen wie Jochen Busse, Winfried Glatzeder, Michaela May, Katja Weitzenböck, Hugo Egon Balder oder Helmut Zierl, die mit ihrem einzigartigen Humor das Publikum verzauberten, sind nur einige Beispiele. Auch viele talentierte Nachwuchsschauspieler – und Schauspielerinnen fanden hier ein Sprungbrett, um ihre Karriere zu starten.

Von den Besuchern und Besucherinnen wird unser Hamburger Theater als eines der besten Privattheater der Stadt geschätzt. Die Tradition von Rolf Mares lebt also auch über 20 Jahre nach seinem Tod immer weiter.